Rechtsanwälte Gäbler & Heuser

 

Familienrecht

Undokumentierte Vergleichsgrundlage: Vorsicht bei der Doppelfunktion von Renten bei Versorgungsausgleich und Unterhalt

Wenn bei einer Scheidung beide Eheleute erwerbsunfähig sind und einer von beiden Leistungen aus einer privaten Invaliditätsvorsorge (Berufsunfähigkeits(BU)-Versicherung oder Unfallversicherung) bezieht, spielen diese Zahlungen eine Doppelrolle: Zum einen stellen sie Lohnersatzeinkünfte dar, die in der Unterhaltsberechnung auftauchen, zum anderen sind solche privaten Renten beim Versorgungsausgleich zu teilen. Im Folgenden musste der Bundesgerichtshof (BGH) eine getroffene Einigung auf Billigkeitsvorschriften prüfen.

Hier hatten sich die Eheleute über den Unterhalt schon vergleichsweise geeinigt. Doch der Unterhaltsvergleich ließ in den Augen der Familienrichter nicht erkennen, welche Rolle die BU-Rente rechnerisch gespielt hatte. Es waren nämlich neben dem Unterhalt auch noch Haus sowie Zugewinn in ein Gesamtpaket gepackt und verrechnet worden. Da auch die Eheleute den Überblick verloren hatten und im Nachhinein folglich auch völlig widersprüchliche Vorstellungen dazu hatten, was die Basis ihrer Einigung gewesen war, teilte der Amtsrichter die BU-Rente im Versorgungsausgleich hälftig.

Das genügte den Ansprüchen des BGH jedoch nicht - er gab die Sache zurück, um Billigkeitsvorschriften beim Versorgungsausgleich zu prüfen. Denn ein Versorgungsausgleich findet nicht statt, sobald er grob unbillig wäre. Und genau das ist der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der hälftigen Teilung abzuweichen. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere dann in Betracht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte an dem im Versorgungsausgleich auszugleichenden Anrecht bereits auf andere Weise partizipiert hat. Das konnte der BGH nach Aktenlage aber nicht selbst aufklären und wies die Sache an das zuständige Oberlandesgericht zurück.

Hinweis: Es gibt gute Gründe dafür, zu jeder Vereinbarung auch zu dokumentieren, was deren exakte Grundlagen waren.

Quelle: BGH, Beschl. v. 10.08.2022 - XII ZB 83/20
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